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Marlborough Neuseeland

Marlborough: Pazifikfrische aus Neuseeland

Zu recht gilt Marlborough als berühmteste Weinregion der Insel. Obwohl sich erst in den 1970er-Jahren Winzer hierher gewagt haben, sorgten ihre Weine verblüffend schnell für Furore. Entdecken Sie Sauvignon Blanc und andere Cool-Climate-Gewächse!

Welches Weingebiet kann schon von sich behaupten, dass es Besuch von der Queen hatte? Marlborough kann es! 1990 reiste Queen Elizabeth II. nach Neuseeland, an die Nordspitze der Südinsel. Hier in Marlborough setzte sie - formvollendet mit Hut und Mantel - einen Rebstock Sauvignon Blanc in die Erde. Das ist umso bemerkenswerter, weil damals in der Nachbarschaft auf den Weiden und Wiesen vor allem Schafe und Apfelbäume zu finden waren. Wie kam die ländliche Gegend also zu diesem royalen Besuch?

Nun, ein paar Winzer-Pioniere hatten sich schon ab 1973 ins kühle Marlborough vorgewagt. In dieser kurzen Zeit hatten sie bereits einen neuen Sauvignon-Blanc-Stil kreiert. Stichwort Weingut Cloudy Bay, dessen Weine mit Aromen von Limetten und frisch gemähtem Gras sofort messerscharf präsent waren. Das war neu. Und das traf nicht nur in Neuseeland einen Nerv, sondern auch in London. Bei einem Wein-Festival der britischen Sunday Times 1986 wurde ein Underdog aus Neuseeland zum Sieger des Festivals gekürt. Ein Sauvignon Blanc vom jungen Weingut Hunter. Der Neue war umwerfend anders als alle anderen Varianten, die man bis dahin getrunken hatte. Die Weinwelt schaute nach Marlborough. Die Queen reiste hin. Um den Paukenschlag besser zu verstehen, hilft ein Blick auf den Stil, der vor Marlborough maßgebend war: den Loire-Sauvignon Blanc.

Ein Glas mit Weißwein auf einem Tisch mit weißer Tischdecke und einem Schattenspiel

Loire versus Marlborough

Der bis dahin bekannteste kam natürlich aus Frankreich, von der Loire. Was genau unterscheidet die beiden Stile? Woran können Sie einen Sauvignon Blanc aus der Alten Welt von einem aus der Neuen Welt im Glas unterscheiden? 

Sauvignon Blanc in einem Glas vor einem Feld
Ob von der Loire oder aus Marlborough: erfrischend sind beide Sauvignon-Blanc-Versionen.

Loire: Sancerre und Pouilly-Fumé

Am berühmtesten sind die Sauvignon Blanc aus den beiden Gebieten Sancerre und Pouilly-Fumé an der französischen Loire. Dieser klassische Loire-Stil ist glasklar, mit kräutrigen Noten und vor allem einer hohen Mineralität. Die Weine erinnern an Zitrusfrüchte wie Grapefruit und Limette, an Stachelbeere und grünes Kernobst wie Apfel und Birne. Einige zeigen auch leichte tropische Aromen von Maracuja und Kiwi. 

Im Unterschied zu neuseeländischen Sauvignon Blanc bestechen sie vor allem durch die erwähnten mineralischen Noten, die meist einen Hinweis darauf geben, wo sie herkommen. Denn die Böden der Loire-Region sind in Sancerre und Pouilly-Fumé von drei Typen geprägt: Feuerstein (Silex), Terres blanches und Caillottes. Terres blanches sind Lehmböden und Caillottes kalkhaltiger Ton. Und die sorgen dafür, dass der Geruch eines klassischen Loire-Sauvignon eben an Kreide und Stein denken lässt. Auf jeden Fall sorgen beide Bodenarten für den mineralischen Frische-Kick im Glas. Hier steht die Mineralik im Vordergrund, die tropischen Aromen sind subtil.

Drei Weingläser mit Weißwein vor schwarzem Hintergrund

Marlborough auf Neuseelands Südinsel

Sauvignon Blanc aus Marlborough ist anders. Das ist keiner, dem man lange Zeit zum Entdecken geben muss. Dieser Stil offenbart sofort mit voller Wucht seine erfrischende Aromatik. Prägnant sind die intensiven tropischen Früchte wie saftige Maracuja, reife Grapefruit und Kaffir-Limette, meist ergänzt um Stachelbeere, Nektarine und Paprika. Grasige Noten waren vor allem bei den frühen Sauvignon Blanc aus Marlborough dominant. Heute experimentieren Winzer mit mineralischen Noten. Und ähneln manchmal etwas mehr der oben beschriebenen Loire-Version. Beide Varianten werden hauptsächlich im Edelstahl ausgebaut, um die traubeneigenen Aromen nicht zu überdecken.

Sauvignon Blanc-Reben von unten gesehen
Hier reifen Sauvignon-Blanc-Trauben mit frisch-fruchtigen Aromen.

Besonders ist für die neuseeländische Variante die Kombination aus Frucht und erfrischend hohe Weinsäure. Ein echter Sommerhit und ein leicht verständlicher Wein. So schaffte es der Neue, Marlborough mit einem lauten Knall auf den internationalen Weinkarten zu verorten. Und er schaffte es auch, Weintrinker in naserümpfende Traditionalisten und glühende Fans zu unterteilen. "Katzenpisse", murmelten die Traditionalisten, "Sancerre auf Steroiden", seine Fans. Definitiv einzigartig! Und diesem besonderen Stil aus der Neuen Welt verdankt Marlborough seinen rasanten Aufstieg.

Ein Komet namens Sauvignon Blanc

Neuseelands Winzer begannen den kommerziellen Weinanbau erst 1973. Überraschenderweise war knapp zwei Jahrzehnte später, 1990, die Sorte mit der größten Verbreitung auf der Insel Müller-Thurgau mit 27 Prozent. Man nahm zu Beginn an, das kühle Klima sei dem deutschen Rheingau ähnlicher als der französischen Loire-Region. Man importierte also Reben aus Europa.

Sauvignon Blanc machte da gerade mal knapp neun Prozent aus. Doch erinnern wir uns: Kurz vorher hatte Cloudy Bay mit seinem Sauvignon Blanc die Weinwelt begeistert. Und den besten Beweis dafür geliefert, dass das Klima auch mit der Loire vergleichbar ist. Angespornt vom Erfolg Cloudy Bays pflanzten dann viele andere neuseeländische Winzer den neuen Superstar. So erhöhte sich der Anteil der aromatischen Sorte in Neuseeland auf sagenhafte 60 Prozent im Jahr 2018! Neben Marlborough spielt Sauvignon Blanc auch in den Weinbaugebieten Nelson, Waipara und Hawke’s Bay die erste Geige. Von Müller-Thurgau spricht in ganz Neuseeland keiner mehr. 

Weinberg in Neuseeland vor Bergkulisse
In atemberaubender Bergkulisse wachsen heute mehr Trauben als Äpfel.

Stattdessen ist für viele Weinbegeisterte der Sauvignon Blanc aus Marlborough nahezu gleichbedeutend mit neuseeländischem Wein. Das liegt auch an der Größe der Region. Es stehen knapp 28.000 Hektar unter Reben. Das sind ungefähr zwei Drittel der gesamten neuseeländischen Rebfläche! Und auf diesen kommen sogar knapp 80 Prozent der gesamten Weinernte! Damit ist die Region unbestritten das größte und produktivste Weinbaugebiet der Insel. Und da um die 85 Prozent der 150 Winzer in Marlborough Sauvignon Blanc anbauen, ist die Formel für die meisten Weintrinker klar: Neuseeländischer Wein ist Sauvignon Blanc! Mittlerweile nutzen Winzer ihre Rebflächen jedoch auch für andere Sorten, die in kühleren Gebieten gedeihen. Schauen wir uns das Klima mal genauer an.

Klima und Rebsorten in Marlborough

Die Region liegt direkt am Pazifik, an der erwähnten Cloudy Bay. Die Meeresbrisen kühlen vor allem nachts die Trauben und sorgen dafür, dass die Fruchtgeschmack der Trauben erhalten bleibt. Zusammen mit langen Sonnenstunden reifen die Trauben langsam aus. Sie bilden einen hohen Zuckergehalt aus bei dennoch hoher Weinsäure. Und sorgen so für die einzigartige Kombination aus Frucht und Frische, für die Marlborough bekannt ist. 

Kommen wir zum Regen. Zwar ist Neuseeland im Durchschnitt mit viel Regen gesegnet. Jedoch sorgen die viele Berge in Marlborough für zusätzliche Mikroklimata. Das Klima in Tälern kann kontinental geprägt sein, mit viel Sonnenschein, größeren Temperaturschwankungen zwischen Sommer und Winter und weniger Regen. Während es an der Westküste im Schnitt an 170 Tagen im Jahr regnet, sind es an der Ostküste in Marlborough, im Regenschatten der Berge, nur 76. Kein Wunder, dass eine von Marlboroughs Subregionen, das Wairau Valley, übersetzt "Platz mit dem Loch in der Wolke" heißt. Da die Sommer eine Maximaltemperatur von angenehmen 26 Grad haben, kann man dennoch auch hier von Cool Climate sprechen. 

Weinberge in Marlborough vor Schneegipfeln
Perfekt für Sauvignon Blanc und Co: Cool Climate mit wärmender Sonne.

Das Klima ist somit ideal für Sauvignon Blanc. Die Sorte treibt früh aus und reift spät - benötigt also eine lange Reifephase. Aber längst pflanzen Winzer nicht mehr nur den Rebsortenstar der Insel an. Sie experimentieren mit anderen Rebsorten nicht mehr nur, sondern vinifizieren sie mit Verve. Chardonnay, Pinot Gris, Pinot Noir und die aromatischen Sorten Riesling, Gewürztraminer, Grüner Veltliner und Co. zeigen, dass sich das Rebsortenspektrum in Marlborough wandelt. Möglich wird dies durch die verschiedenen Böden in drei Subregionen.

Subregionen in Marlborough

Größtenteils dominiert Kiesgeröll aus den Bergen und Schwemmland die Böden in Marlborough. Durch die Nähe zum Pazifik finden sich auch Böden mit kalkhaltigen Ablagerungen aus dem Meer. Vor allem die Kiesböden sorgen für eine guten Abzug des Wassers und verhindern so das zu starke Wachstum der Reben. Die Trauben bleiben klein und die Aromen intensiv. 

Zusätzlich haben Forscher um die 90 verschiedene Bodenarten auf der Insel entdeckt. Wir beschränken uns hier auf die Varianten, die in den drei Subregionen am häufigsten auftreten. Vom Wasser kommend schauen wir uns die Böden der drei Subregionen an: Wir beginnen mit den beiden Tälern, deren Flüsse in den Ozean münden: Das Wairau Valley an der legendären Cloudy Bay und das Awatere Valley an der etwas unbekanntere Bucht südlich von Cloudy Bay. Dann wenden wir uns weiter ins Landesinnere, in das Southern Valley.

Karte von Marlborough mit Subregionen
Hier liegt Marlborough mit seinen Subregionen. © Wine in Black

Wairau Valley 

Im größten Tal von Marlborough scheint die Sonne lange. Obwohl es in Neuseeland viel regnet, gibt es hier trockene Sommer, so dass zum Teil bewässert werden muss. Die Landschaft ist abwechslungsreich: Viele kleine Seitentäler in den Ausläufern des Mount Richmond und der Wairau-Fluss bieten eine Vielzahl an Höhenlagen und Ausrichtungen der Weinbergshänge. Die Böden reichen von durchlässigen, steinigen Böden im Tal bis hin zu älteren, alluvialen Lehmböden mit Spuren von Ton. In der Nähe der Bucht haben die Böden einen hohen Gehalt an Mineralien, die Reben sind daher kräftig. 

Bei den Sorten dominiert Sauvignon Blanc, der hier seine tropisch-fruchtige Stilistik voll ausspielt. Hier ist Cloudy Bay zuhause. Neben dem legendären Sauvignon Blanc vinifiziert das Weingut komplexen Chardonnay und geschmeidigen Pinot Noir. Aus letzten beiden Sorten wird auch der neue Coup von Marlborough gemacht: eleganter Schaumwein. Gleich in der Nähe liegt ein weiteres Pionierweingut: Hunters gibt es sogar schon sechs Jahre länger. Auch sie überzeugen mit knackig-frischen Weißweinen aus Sauvignon Blanc, Chardonnay und Schaumweinen. Aber auch in den anderen Subregionen gibt es neben Sauvignon Blanc weitere Sorten. Blicken wir zwölf Kilometer weiter nach Süden

Awatere Valley 

Das Tal weiter südlich ist definitiv ein Cool Climate-Gebiet. Hier ist es noch trockener als im Wairau Valley und es weht häufig ein kühlender Wind. Der Sauvignon Blanc aus dem Awatere Valley zeigt dann auch eine höhere Weinsäure und sehr viel Kräuterwürze. Die Böden sind die komplexesten von ganz Marlborough: sie variieren von Schwemmland in Flussnähe, Lehm- und Tonböden sowie Böden aus Lehm und Kies. Die Pinot Noir sind leicht und duftig mit Noten von Kirschen und Cranberries und feinen Tanninen. Schöne Varianten kommen vom kleinen Weingut Blank Canvas, das in Awatere Rebflächen hat. 

Auch einer von Neuseelands einflussreichsten Winzern hat in Awatere Rebflächen. Kevin Judd, der als Önologe bei Cloudy Bay von Anfang an den Stil geprägt hat. Und er entschied sich 2009, sein eigenes Label Greywacke zu gründen. Mit Flächen in Awatere, auf denen Sauvignon Blanc, Chardonnay und Pinot Noir wachsen. Zum Vinifizieren bringt Kevin Judd die Trauben dann in die Nachbarschaft, ins Southern Valley. Denn dort haben sich ebenfalls ehemalige Cloudy Bay-Kollegen selbständig gemacht: Ivan Sutherland und James Healy.

Southern Valleys

Gartenmöbel in einem grünen Garten in Marlborough
Grüne Oase: Marlboroughs Landschaft animiert zum Gründen neuer Weingüter.

Die Southern Valleys schließen sich landeinwärts an das erste Tal an, das Wairau Valley. In den Southern Valleys sind die Böden reichhaltig und stark von Lehm geprägt. Neben Sauvignon Blanc werden Pinot Noir, Pinot Gris und Riesling angepflanzt. Durch die nährstoffreichen Böden entstehen konzentrierte und dichte Weine. Hier ist das Zuhause von Dog Point, einem Weingut, das ebenfalls eine Geschichte mit Cloudy Bay teilt. Zwei der Gründer von Dog Point, Ivan Sutherland und James Healy, lernten sich auf dem legendären Weingut kennen. Und entschieden 2004, Weine unter ihrem eigenen Label zu machen.

Natürlich gibt es auch bei Dog Point einzigartigen Sauvignon Blanc. Im Vergleich zur sehr tropischen Kultversion von Cloudy Bay zeigt dieser komplexer Wein jedoch leicht mineralische Noten. Daneben pflanzt die Crew Chardonnay und Pinot Noir an. Ihr Chardonnay ist komplex, aromatisch und zum Teil in neuer französischer Eiche ausgebaut, erinnert also an Burgunder von der Côte de Beaune. Auch in ihren den Pinot Noir sind die Kirschen und Pflaumenaromen dicht und konzentriert. Stilistisch orientieren sich Dog Point am Burgund und an der Loire. 

Die Liste der interessanten Produzenten in Marlborough ist definitiv viel länger. Zu den bekanntesten gehören in Marlborough noch Ata Rangi, Framingham, Hans Herzog, Lawson’s Dry Hill, Two Rivers, Vavasour und Villa Maria. Schauen wir zum Schluss kurz auf das letztgenannte Weingut um einen Eindruck davon zu bekommen, was noch so passiert.

Marlboroughs Zukunft

Müsste man ein Weingut in Marlborough auswählen, um ein Gespür für die Entwicklung zu bekommen, wäre es Villa Maria. Sie ist mittlerweile eine der größten und ältesten Kellereien Neuseelands, und dennoch am Puls der Zeit. 1961 auf einem halben Hektar Land gegründet, umfasst ihr Portfolio heute knapp 20 Rebsorten. Neben Sauvignon Blanc, Chardonnay, Pinot Noir, Pinot Gris, Riesling und Gewürztraminer gehören etwa auch Sémillon dazu. 

Stilistisch ist die Bandbreite ebenfalls groß, selbst Extravaganzen wie eine Spätlese Riesling und einen Süßwein aus Sémillon gibt es. Auch den Trend zu leichteren Weinen kann man hier sehen: es gibt einen Sauvignon Blanc mit weniger als zehn Volumenprozent. Zudem war Villa Maria eines der ersten Weingüter, das komplett auf Schraubverschlüsse gesetzt hat. Heute ist das kein Novum mehr. Oder haben Sie schon mal den Korken aus einem Marlborough-Sauvignon Blanc gezogen? Eben. 

So wie bei Villa Maria ist die Dynamik auf den meisten Weinbergen in Marlborough ungebrochen. Und da Neuseelands Winzer extrem schnell lernen, sind wir gespannt, womit sie uns als nächstes überraschen!

Weine aus unserem Shop, die zu diesem Artikel passen:

9 Antworten auf „Marlborough: Pazifikfrische aus Neuseeland“

[…] Oft werden die Trauben von verschiedenen Bodenarten assembliert. Das ergibt dann den herrlich komplexen und mittlerweile klassischen Loire-Stil. Der ist eine Art subtiler In-your-face-Weißwein, denn er ist intensiv, aber irgendwie auch sehr pur. Aromatisch auf jeden Fall ganz anders, als etwa ihre tropisch-fruchtigen Vertreter aus dem neuseeländischen Marlborough.  […]