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Silvaner: Weiße Terroir-Rebsorte mit Anspruch

Von wegen langweiliger Bocksbeutel. Silvaner war einst der große Rebsorten-Star in Deutschland. Noch vor Riesling! Und auch heute entstehen aus der Traube höchst spannende Gewächse. Wir treten den Beweis an!

Streng genommen ist die Geschichte der Rebsorte Silvaner von lauter Missverständnissen geprägt. Beispiel gefällig? Bitteschön: Weil Silvaner hierzulande im Rebsortenspiegel direkt hinter Riesling auf dem zweiten Platz landet, geht man automatisch davon aus, dass Deutschland auch die Heimat der weißen Traube ist. Das stimmt nur leider nicht. Denn tatsächlich kommt Silvaner aus Österreich. Dort war sie bis in die 1930er-Jahre hinein sogar die meistangebaute Rebsorte überhaupt. Also bevor ihr der Grüne Veltliner den Rang ablief. Damals wusste man übrigens noch nicht, dass die Alpenrepublik auch die Heimat von Silvaner ist.

Lange Zeit arbeitete man sich an der Herkunft ab und verband diese mit dem Namen der Rebsorte. Sie sollte angeblich entweder aus Transsylvanien kommen oder aber aus der Stadt Silva aus Mittelasien. Genetische Untersuchungen ergaben vor ein paar Jahrzehnten dann aber, dass Silvaner tatsächlich eine natürliche Kreuzung der beiden weißen Rebsorten Traminer und Österreichisch Weiß ist. Womit als Herkunft tatsächlich Österreich belegt werden konnte. Außerdem hat ihr Name auch nichts mit einem konkreten Ort zu tun. Vielmehr ist sie nach dem römischen Waldgott Silvanus benannt. Und sie ist alt. Sehr alt sogar. Bereits im 1. Jahrhundert nach Christus gab es die ersten Erwähnungen in lateinischen Dokumenten.

Mann hält ein Glas mit Weißwein, auf seinem Unterarm steht: Mein. Silvaner. Rockt.
Silvaner: In Deutschland extrem beliebt, aber aus Österreich stammend. © Deutsches Weininstitut

Wie Silvaner nach Deutschland kam

Es waren dann aber nicht die alten Römer, die die Silvaner-Rebe nach Deutschland brachten. Sondern Mönche, die von einem Kloster zum nächsten pilgerten. Einer der zahlreichen Zwischenstopps: das Castell in Würzburg. Genau hier nahm die deutsche Silvaner-Geschichte dann ihren Anfang. Denn am 10. April 1659 wurden die ersten Reben in einem Castell-Weingarten gepflanzt. Moment einmal! Würzburger Castell und alter Wein - da war doch was! Ja, aber leider früher. Der älteste noch trinkbare Wein der Welt, den die britische Kritiker-Ikone Hugh Johnson 1961 wortreich verkostete, kam zwar vom Würzburger Castell - aber aus dem Jahr 1540. Der aus der Lage Stein stammende Wein kann also kein Silvaner gewesen sein. Und eh: die Stein-Weingärten bekamen Silvaner auch erst im Jahr 1665 erstmals zu Gesicht. Der Traum von der Wein-Legende platzt also an dieser Stelle.

Ein Glas mit Weißwein auf einem Tisch mit weißer Tischdecke und einem Schattenspiel

Was hier aber damals begann, war der Aufstieg von Silvaner zur deutschen Parade-Rebsorte. Noch vor Riesling, wohlgemerkt. Von Würzburg in Franken aus trat sie ihren Siegeszug durch die Republik an. Ob nun Mosel, Rheingau, Baden, Pfalz oder Rheinhessen - die Winzer liebten Silvaner. Schließlich war und ist die Rebsorte recht dankbar im Anbau. Was sie als spät reifende Traube nicht so mag, sind kühle Lagen. Sie ist halt recht frostempfindlich. Und leider auch für Echten Mehltau anfällig. Allerdings bringt sie konstante Erträge. Diese können sogar recht üppig sein, wenn man nicht konsequent den Ertrag reduziert.

Rebflächen mit der Rebsorte Silvaner rund um Würzburg
Blick auf die Silvaner-Rebflächen in Würzburg. © Deutsches Weininstitut

Aufstieg und Niedergang einer Rebsorte

Hinzu kommt, dass Silvaner mit einer milden Weinsäure und einem feinen Geschmack nach Heu, Apfel, Orange, Birne, Holunder und Quitte punktet. Außerdem duftet sie oft blumig. Dank dieser gefälligen Art wurde sie schnell allerorten zum großen Liebling gekürt. Die Franken in Würzburg ärgerte das sehr. Schließlich waren sie es doch, die Silvaner überhaupt erst entdeckt hatten! 1728 ließen sie sich deswegen einen der ersten Marketing-Kniffe der Weingeschichte einfallen. Sie füllten ihren hochwertigen Silvaner in dem heute noch allseits bekannten Bocksbeutel ab. Was für eine Erfolgsgeschichte in Sachen Markenbildung!

Damit schuf man in Franken ein Alleinstellungsmerkmal, den großen Siegeszug der Rebe quer durch die Republik konnte man aber trotzdem nicht aufhalten. Bis in die 1970er-Jahre hinein war Silvaner tatsächlich die meistangebauteste Rebsorte in Deutschland. Sie belegte satte 30 Prozent aller Rebflächen - und kam damit noch vor dem Riesling! Wie konnte sich das nur ändern? Das Zauberwort heißt hier Qualität. Reduziert man den Ertrag bei Silvaner nämlich nicht und pflanzt sie dann vielleicht auch noch auf Lehmböden, dann entstehen aus ihr recht geschmacksneutrale und langweilige Weine. Genau das kam aber leider viel zu häufig vor. Und so begann der helle Silvaner-Stern stetig zu sinken.

Bocksbeutel-Flasche mit zwei Gläsern und Spargel und Schinken auf einem gedeckten Tisch
Der Bocksbeutel, die typische Flaschenform für Silvaner - auch heute noch. © Deutsches Weininstitut

Vom Langweiler zum Terroir-Liebling

Bis heute nehmen die Rebflächen in Deutschland kontinuierlich ab. Waren 1999 noch gut 6.800 Hektar mit ihr bestockt, kam die Silvaner-Gesamtfläche im Jahr 2019 nur noch auf 4.600 Hektar. Tendenz weiter fallend. Die meisten Flächen findet man hierzulande übrigens nicht in Franken (1.500 Hektar), sondern in Rheinhessen (2.300 Hektar). Und sie heißt auch nicht überall Silvaner. So ist sie auch unter Synonymen wie Sylvaner oder Grüner Silvaner bekannt. Aber das nur am Rande. Wenden wir uns lieber wieder dem Image-Verlust des einstigen Stars zu. Denn neben eher gewöhnlichen Massenweinen trug auch der Bocksbeutel-Aspekt plötzlich zum Niedergang bei. Viele Weinliebhaber nahmen in den 1970er-Jahren diese Flaschenform als trutschig und veraltet wahr. Man verband sie nicht mit Qualität. Damit tat man der Rebsorte nur leider bitter Unrecht.

Dafür brauchte es den VDP (Verband Deutscher Prädikatsweingüter), um den Ruf wieder herzustellen. Es mag sein, dass Silvaner, der auf Lehm gedeiht, eher geringe Qualitäten hervorbringt. Pflanzt man die Traube allerdings auf mineralischen Verwitterungsböden und gönnt ihr auch noch ein wenig Steigung im Weinberg, damit mehr Sonne rankommt, dann entstehen so höchst elegante Weine, die dankbar ihr spannungsreiches Terroir transportieren. Das erkannte man auch beim VDP. Das Ergebnis: in Franken dürfen aus Silvaner Große Gewächse entstehen. Und die haben es in der Regel meist in sich: Fein, raffiniert, fast schon mineralisch vibrierend und mit einem enormen Lagerpotenzial ausgestattet. Ein Umstand, der auch bei Weinliebhabern immer größeren Anklang findet. Nicht nur als Speisenbegleiter zum Spargel, sondern gerne auch als edlen Tropfen, den man sich solo gönnt, um ihm in Ruhe zuhören zu können.

Blick auf Weinbergslagen in der Weinregion Franken
Hier in Franken entstehen Silvaner mit Weltruf. © Deutsches Weininstitut

Silvaner und der Rest der Welt

Womit der Silvaner-Ruf in Deutschland wieder hergestellt wurde. Stellt sich nur die Frage, ob die Rebsorte denn auch in anderen Ländern von Bedeutung ist. Die Antwort ist ebenso schnell wie kurz. Nein. Mit einem gewaltigen Aber. Denn es gibt da ein kleines Fleckchen Erde, das die Silvaner-Traube sehr zu schätzen weiß und sie dementsprechend hoch hält. Dieses Fleckchen Erde heißt Elsass. Es ist zweifelsohne die deutsche Vergangenheit dieser französischen Weinregion, die dafür gesorgt hat, dass im Elsass Silvaner zu finden ist. Auch hier flüstern die Weine feinfühlig von ihrem Terroir. Im Unterschied zu den deutschen Gewächsen haben die elsässischen Pendants aber mehr Körper und meist auch mehr Struktur, da man sie gerne in alten Holzfässern ausbaut. Diesen Trend findet man inzwischen zwar auch in Deutschland, im Elsass allerdings hat er Tradition.

In der Grenzregion am Rhein entstehen Silvaner, die sich durchaus mit den Großen Gewächsen aus Franken messen können. Und auch Rheinhessen sollte man nicht aus den Augen verlieren. Denn dort gibt es immer mehr Winzer, die der Rebe die Böden und Lagen geben, die sie braucht, um hohe Qualitäten voller charakterstarker Aromen zu entwickeln. Den alten Glanz aus dem 17. und 18. Jahrhundert wird das wahrscheinlich nicht zurückbringen, aber immer mehr Weinliebhaber wissen einen guten Silvaner zum Glück wieder sehr zu schätzen. Gerade, weil die Weine von den unterschiedlichen Terroirs derart eigenständig sind. Probieren Sie doch mal einen Silvaner aus Franken neben einem aus Rheinhessen und dem Elsass. Der Facettenreichtum wird Sie erstaunen! Versprochen!

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