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Susana Balbo: Die Evita des argentinischen Weinbaus

Sie war die erste weibliche Önologin des Landes, setzte neue Qualitäts-Standards im Weinbau und brachte Argentinien auf das internationale Wein-Parkett. Und sorgte auch noch mit ihren eigenen Weinen für Furore. Winzerin Susana Balbo im Porträt.

Ohne Superlative kommt man inzwischen nicht mehr aus, wenn man über Susana Balbo schreiben möchte. Und das auch vollkommen zurecht. Das Magazin 'Drinks Business' nennt sie zum Beispiel nicht nur die 'Evita des Weins', sondern kürte sie 2015 zusätzlich zur 'Frau des Jahres’. Zudem war sie auch noch von 2006 bis 2016 die Präsidentin der Vereinigung 'Wines of Argentina' - und war maßgeblich daran beteiligt, dass das Land als Weinbau-Nation inzwischen einen hervorragenden Ruf hat. Was sich jetzt alles so strahlend und glänzend anhört, ist tatsächlich ein Weg voller Rückschläge und vieler Kampf-Momente gewesen. Denn genau das ist Susana Balbo: eine Kämpferin. Und eine Ausnahme-Önologin.

Dabei wollte die 1956 in Mendoza geborene Susana Balbo eigentlich gar keine Winzerin werden. Sie wuchs in schlichten Verhältnissen auf. Ihr Vater war Leinenhersteller in Córdoba. "Meine Eltern waren bescheidene Leute, die gestickte Tischdecken von Tür zu Tür verkauften", verrät Susana Balbo. Trotz des einfachen Lebens waren ihre Träume groß. Sie wollte Kernphysik studieren. Anfang der 1970er-Jahre aber waren die politischen Verhältnisse in Argentinien alles andere als stabil. Das Land stand kurz davor, eine Diktatur zu werden. Ein 17-jähriges Mädchen in eine Männerwelt eintreten lassen? Und das auch noch ganz allein, weit weg in einer fremden Großstadt? Das kam für die Eltern nicht in Betracht. Sie verboten ihr das Studium der Kernphysik ebenso wie die Alternative Chemie. Also schrieb sich Susana Balbo kurzerhand für ein Önologie-Studium in der Nähe ein. Als erste Frau überhaupt in Argentinien.

Önologin Susana Balbi schaut zwischen vielen Gläsern mit Weißwein in die Kamera
Susana Balbo war die erste Önologin Argentiniens. © Susana Balbo Wines

Susana Balbos erste önologische Schritte

Mit Wein hatte die Familie bis dahin noch nichts am Hut. Erst 1981, als Susana Balbo ihren Abschluss machte, kauften die Eltern einen Weinberg. Allerdings für den Bruder. Denn dieser wollte das Geschäft seines Vaters nicht übernehmen. Gesellschaftlich wurde sich damals eher um das berufliche Wohlergehen der männlichen Nachkommen gekümmert. Diese Erfahrung machte Susana Balbo nach ihrem Studium aber nicht nur Zuhause. Sie wollte unbedingt selbst Wein machen und auch tatsächlich als Önologin arbeiten. Angeboten wurden ihr indes aber nur Jobs in diversen Laboren. Nach einem halben Jahr voller Absagen wurde die 23-jährige Frau auf eine Stellenausschreibung aufmerksam. Michel Torino suchte für sein Weingut in Cafayate in der nördlichen Provinz Salta einen Önologen. Die Voraussetzungen: mindestens drei Jahre Berufserfahrung und sehr gute Englisch-Kenntnisse. Die Berufsanfängerin, die kaum ein Wort Englisch sprach, versuchte trotzdem ihr Glück. Und setzte sich gegen 86 andere Bewerber durch.

Rotwein wird aus einer Weinflasche in ein Weinglas eingegossen

In Cafayate durfte Susana Balbo nicht nur endlich ihre ersten Schritte als Önologin gehen, sondern bekam von Michel Torino zugleich eine quasi unlösbare Aufgabe. Sie sollte aus der weißen Rebsorte Torrontés einen Premium-Wein vinifizieren. In den 1980er-Jahren war die weiße Torrontés in Argentinien das, was die rote Sangiovese im Chianti Classico war: eine Rebsorte, aus der vor allem schlichte Tafelweine gekeltert wurden. Und die kamen dann - in Argentinien wie auch in Italien - in Korbflaschen daher! Eine schier unlösbare Aufgabe also, der sich Susana Balbo mit großer Passion widmete.

Winzerin Susana Balbo kontrolliert Malbec-Trauben im Weingarten
Ob Torrontés oder wie hier Malbec - die Qualitätsansprüche von Susana Balbo sind hoch. © Susana Balbo Wines

Susana Balbo, die 'Queen of Torrontés' 

Während ihre Kollegen von den benachbarten Weingütern feixten und belustigt den Kopf schüttelten, setzte Susana Balbo auf strenge Ertragsreduktion. Im zweiten Schritt schaute sie, welche Böden für Torrontés am besten geeignet sind. Und welche Lagen. Was in der Toskana in den 1980er- und 90er-Jahren ein Gemeinschaftsprojekt der ganzen Region war, schaffte sie in Salta im Alleingang. Immer wieder experimentierte sie mit der weißen Rebsorte, baute sie unterschiedlich aus, setzte unterschiedliche Akzente. Die Ergebnisse konnten sich nicht nur sehen lassen, sondern waren derart gut, dass die US-amerikanische Fluglinie Pan American einen ihrer Torrontés-Weine sogar zum Menü in der ersten Klasse servierte. Ihr gelang damit das Unmögliche. Nämlich zu beweisen, dass man aus Torrontés sehr wohl Spitzen-Weine machen kann. Nicht umsonst wird die Winzerin bis heute noch hinter vorgehaltener Hand 'Queen of Torrontés' genannt.

Neun Jahre lang arbeitete Susana Balbo bei Michel Torino in Cafayate. In dieser Zeit heiratete sie ihren ersten Ehemann, bekam ihre beiden Kinder Ana und José, ließ sich scheiden und träumte vom eigenen Weingut. Sie lernte und bewirkte viel in dieser Zeit. Doch die Zusammenarbeit fand nach dem Verkauf des Weinguts von Torino ein unrühmliches Ende. Man schuldete ihr ein komplettes Jahresgehalt. Balbo ging zu ihrem Bruder, wollte auf dessem Weingut arbeiten. Aber er akzeptierte sie nicht als Önologin. Der Drang, ein eigenes Weingut zu gründen, wurde immer stärker. Aber der Winzerin fehlte das Geld. Also ging sie nach Europa, beriet dort unterschiedliche Weingüter und war für zehn Ernten verantwortlich, bevor es sie wieder zurück nach Argentinien zog, um für die legendäre Catena Zapata zu arbeiten, die mit ihren Höhenlage-Weinen aus dem Valle de Uco neue Maßstäbe setzte.

Korb mit blauen Malbec-Trauben in einem begrünten Weingarten
Von Lese zu Lese lernte Susana Balbo in Argentinien und Europa konsequent dazu. © Susana Balbo Wines

Der Traum vom eigenen Weingut

Dort lernte Susana Balbo zweierlei. Nämlich ihren zweiten Ehemann kennen und mit den Höhenlagen in Mendoza umzugehen. Vor allem im Valle de Uco, wo an 300 Tagen die Sonne scheint, aber nur 200 Millimeter Regen pro Jahren fallen. Mit ihrem zweiten Mann wagte sie 1999 dann endlich den großen Schritt. Die beiden gründeten in der Subregion Luján de Cuyo mitten im Valle de Uco ihr eigenes Weingut, während sie parallel weiter bei der Catena Zapata arbeiteten. Doch schnell zogen Wolken im Paradies auf. Balbo setzte von Anfang an auf Qualität und Individualität. Ihr Mann indes wollte Massenweine produzieren. Bevor überhaupt die ersten Hektar gekauft wurden, trennten sich die beiden.

Zwei Weingläser mit Rotwein vor schwarzem Hintergrund

Für Susana Balbo war das ein herber Rückschlag. Sie arbeitete nebenbei weiter bei Catena Zapata und war zudem auch als beratende Önologin unterwegs, um ihr Weingut komplett allein finanzieren zu können. Zunächst machte sie ihre Weine ausschließlich aus zugekauften Trauben. Im Jahr 2002 konnte sie endlich die ersten 22 Hektar Rebfläche erwerben. Im gleichen Jahr hängte sie alle anderen Jobs an den Nagel und konzentrierte sich ganz und gar auf ihre eigenen Weine. Und den Bau des dazugehörigen Weinguts.

Mit ihrem Signature-Wein 'Nosotros', einem reinsortigen Malbec, verschaffte sie sich sofort in der Weinwelt Gehör. Der Einzellagen-Malbec, der durch seine raffinierte Komplexität besticht und der seit jeher nur aus dem besten Traubenmaterial des Weinguts vinifiziert wird, war schneller ausverkauft, als die Önologin gucken konnte. Inzwischen wird unter dem Label nicht nur ein reinsortiger Malbec, sondern auch eine Cuvée aus Malbec, Syrah und Cabernet Franc sowie eine aus Malbec und Petit Verdot vinifiziert. Zeitgleich entstand damals die 'Crios'-Linie: frische und unkomplizierte Weine für den Alltag. Dabei aber nicht weniger terroirgetragen als die Spitzen-Weine. Komplettiert wird die Range durch die 'Benmarco'-Linie: absolute Charakterweine, die aus den höchsten Lagen des Weinguts stammen.

Susana Balbo ist in aller Munde

Damals wie heute ist es ihre Philosophie, die die Arbeit von Susana Balbo prägt. Und genau die hat sie uns verraten: "Meine Priorität ist es, die richtige Sorte an der richtigen Stelle zu pflanzen und transparente, ehrliche Weine herzustellen, die den Ort ausdrücken, von dem sie stammen." Und dieser Ort heißt vor allem Valle de Uco. Von hier kommen 80 Prozent ihres Leseguts. Allen voran Malbec. Und natürlich Torrontés. Diese Rebsorte wird die Winzerin, die selbst übrigens am liebsten Cabernet Sauvignon trinkt, wohl ihr Leben lang innigst begleiten.

2006 kam dann mit der Gründung der Vereinigung 'Wines of Argentina' die nächste Stufe der Karriereleiter bei Susana Balbo hinzu. Sie wurde aus dem Stand weg zur Präsidentin gewählt. Dieses sollte sich noch zweimal wiederholen, bevor sich die Önologin dann im Jahr 2016 zurückzog. In den zehn Jahren allerdings gelang es ihr, den Ruf argentinischer Weine international zu etablieren. Argentinien ist das fünftgrößte Weinland der Welt. Noch im Jahr 2004 wurden aber nur fünf Prozent aller Weine exportiert. Unter Balbos Ägide konnte der Export auf über fünfundzwanzig Prozent gesteigert werden. Das lag natürlich vor allem an der steigenden Qualität. Für viele Winzer war Susana Balbo längst zum Vorbild geworden. Aber auch das geschickte Marketing, das die Präsidentin einführte, förderte den Ruf. So erfand sie zum Beispiel den 'Malbec World Day', der auch heute noch jährlich am 17. April gefeiert wird.

Weingut in Argentinien, im Hintergrund ragen die Anden auf
Das Weingut von Susana Balbo am Fuße der Anden. © Susana Balbo Wines

Dem Weingut einen Namen geben

Aber kommen wir ruhig noch einmal zurück zur Winzerin Susana Balbo. Denn trotz der vielfältigen anderen Aufgaben kam bei der Önologin das eigene Weingut nie zu kurz. Obwohl es tatsächlich lange Zeit nie wirklich ihr Eigen war. Die Hälfte gehörte nach der Scheidung ihrem Exmann. Erst im Jahr 2012 konnte sie die finalen Anteile von ihm zurückkaufen. Und ihrem Weingut endlich den Wunschnamen geben: Susana Balbo Wines.

Zu diesem Zeitpunkt waren auch schon ihre beiden Kinder Ana und José mit an Bord. "Ich habe sie nie unter Druck gesetzt, war aber sehr stolz, als die beiden mit an Bord kamen", verrät die inzwischen dreifache Großmutter. Um Familie und Weingut besser voneinander trennen zu können, holte sie sich 2013 zudem Edgardo Del Popolo als General Manager mit ins Team. Zu eben jenem Team gehören inzwischen über 100 Mitarbeiter, die sich um die Weingärten, den Keller und auch die Restaurants, die Balbo inzwischen auf ihrem Weingut betreibt, kümmern.

Susana, Ana und José Balbo in der Vinothek ihres Weinguts in Argentinien
Zusammen mit ihren Kindern Ana und José in der Vinothek des Weinguts. © Susana Balbo Wines

Von Ruhestand ist noch lange keine Rede

Dank Edgardo Del Popolo war es ihr 2015 dann auch möglich, eine kleine Auszeit vom Wein zu nehmen. Und sich der Politik zu widmen. Denn für eine Amtszeit saß sie als gewählte Abgeordnete im Unterhaus des argentinischen Nationalkongresses. Was sich erst einmal ungewöhnlich anhört, war für Susana Balbo nur eine logische Konsequenz, wie sie selbst verrät: "Ich habe mich in der Politik engagiert, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben und ein besseres Land zu schaffen. Damit meine Enkelkinder nicht das Gefühl haben, migrieren zu müssen, wenn sie arbeiten wollen."

Inzwischen ist Susana Balbo wieder hauptsächlich auf ihrem Weingut anzutreffen. Die Weinbereitung überlässt sie dabei aber jetzt ihrem Chef-Önologen Gustavo Bertagna. Denn die 'Evita des Weins' hat momentan ein neues Projekt, dem sie sich widmet: sie baut ein Boutique-Hotel in Chacras de Coria. Damit fügt sie der Provinz Mendoza einen weiteren Glanzpunkt hinzu. Und schafft zugleich neue Arbeitsplätze. Von Ruhestand ist bei ihr also noch lange keine Rede.

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