Tradition und Fortschritt - das sind die zwei Pole, die einen Winzer umtreiben und zwischen denen er seinen ganz eigenen Mittelweg finden muss. Überall, wo sich ein Generationswechsel vollzieht, wird es besonders spannend. Genau darum ging es beim Traditionsweingut Jurtschitsch im österreichischen Kamptal, wo zwei junge Top-Winzer diesen spannenden Weg bereits gegangen sind.
Mehr lesen4 Sterne (4/5) für das Weingut Falstaff Weinguide 2019/20
"Kaum ein anderes österreichisches Weingut schafft es, mit solcher Zuverlässigkeit beste Qualität über die gesamte Angebotspalette anzubieten. Auch bei Rot- und Süßweinen wurden über die Jahre Meilensteine für die Region gesetzt. Bestätigung findet die kompromisslose Qualitätsarbeit durch zahlreiche wiederkehrende nationale und internationale Auszeichnungen."
4 Kronen (4/5) fürs Weingut Vinaria Weinguide 2020/21
"Alwin Jurtschitsch hat mir am Beginn seiner Winzerlaufbahn erzählt, wie wichtig ihm die einzelnen unterschiedlichen Lagen, gekoppelt mit dem jeweils typischen Kleinklima, sind. Riesling soll für ihn – auf den berühmtesten Kamptaler Weinberg bezogen – nach Heiligenstein und nicht primär nach Riesling schmecken. Mit seiner Frau Stefanie hat er die kongeniale Partnerin im vinophilen und privaten Bereich gefunden. Gemeinsam schaffen sie es Jahr für Jahr, ihren Traum zu leben. Die gemeinsame Grundsatzentscheidung am Beginn ihres Wirkens, auf biologische Bewirtschaftung umzustellen, war ein logischer Entschluss."
A la Carte
"Die nach biologischen Richtlinien bewirtschafteten Familienweingärten sind für Stefanie und Alwin Jurtschitsch Grundlage für ausdrucksstarke Weine, die ihre Böden und Herkunft widerspiegeln. Der Forschungstrieb der beiden Winzer geht weit über den klassischen Weinbau hinaus. So wird intensiv nach intelligenten Lösungen im Bereich der nachhaltigen Bewirtschaftung für die Zukunft gesucht. Im Weingarten setzt man dabei auf Pflanzensymbiosen, Kompost-Tees sowie altes bäuerliches Wissen, gepaart mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Auch im Keller agiert man mit Zurückhaltung und Fingerspitzengefühl. Das Ergebnis sind feingliedrige Weine mit Tiefgang."
Das Weingut Jurtschitsch hat seinen Sitz in Langenlois. Hier, im Kamptal und knapp 70 Kilometer östlich von Wien, kultiviert das Familienhaus über 62 Hektar. An der Spitze des Hauses stehen Alwin und seine Ehefrau Stefanie, die 2008 die Zügel von Alwins Vater übernahmen. Dieser machte Mitte der 1980er Jahre gemeinsam mit seinem Bruder das Weingut über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt. Doch der ansteckend charismatische Alwin und seine nicht minder charmante Partnerin Steffi vom Weingut Gunderloch haben die Geschichte des Weinguts ohne ein aufgeblasenes Marketing-Trara umgeschrieben. Mit der neuen Generation wurde auch ein kompletter Wechsel im Weinberg vollzogen, der ab 2006 seinen Start nahm: Umsichtige Bewirtschaftung ist Pflicht, die Weinberge wurden zu Weingärten, in denen neben Trauben auch wilder Knoblauch und Pfirsichbäume wachsen. Es blüht und lebt abseits der Monokultur und das so entstandene Gleichgewicht wird von den Reben dankbar angenommen. Weniger ist hier mehr: Die Rebfläche wurde verringert und die Trauben gedeihen ohne Hilfsmittelchen prächtig. Diese schonende Arbeit wird auch im Keller fortgesetzt, wo die Weine mit weinbergseigenen Hefen gären und mit möglichst wenig Eingriffen reifen. Man lässt dem Wein einfach seinen Raum und vor allem sein Tempo. Alwin Jurtschitsch hat ein wenig die Langsamkeit wiederentdeckt und das genießen alle: Winzer, Reben, Weine und Kunden!
Neben einem wirklich hervorragenden Handwerks-Können steht dem Weingut auch ein Lesehof aus dem 16. Jahrhundert zur Verfügung, mit einer alten Kelleranlage, die seit sage und schreibe 700 Jahren Weine kühlend lagert. Das Haus erzeugt etwa 75 % Weißwein, sowie 25 % Rotwein und bewirtschaftet Top-Lagen wie Zöchbinger Heiligenstein, Loiserberg, Dechant, Schenkenbichl, Käferberg, Lamm und Tanzer. Die wichtigsten Rebsorten bilden Grüner Veltliner und Riesling. Längst ist Jurtschitsch in die Winzer-Elite der Alpenrepublik aufgestiegen. „Kaum ein anderes österreichisches Weingut schafft es, mit solcher Zuverlässigkeit beste Qualität über die gesamte Angebotspalette anzubieten“, fasst der Weinguide Falstaff zusammen. „Auch bei Rot- und Süßweinen wurden über die Jahre Meilensteine für die Region gesetzt.“
Wie ist das so mit dem Generationswechsel auf eurem Familienweingut? Was bedeutet für euch Tradition?
"Eine lange weinbauliche Familientradition ist immer eine gute, stabile Basis. Tradition ist nichts Statisches, es bedeutet nicht, stehen zu bleiben und alles gleich zu machen wie vor 100 Jahren. Tradition wird bei uns permanent hinterfragt. Veränderungen wie der Klimawandel werden berücksichtigt und darauf eingegangen. Tradition ist immer auch eine Stilfrage. Die Suche nach dem eigenen Weinstil. So gesehen arbeiten wir zum Teil wieder traditioneller als die Generation meiner Eltern. Wir fragen uns, was wird einmal die Tradition unserer Generation werden – diese Antwort kann ich vielleicht nach meiner 25ten Ernte beantworten. Traditionelles Arbeiten bedeutet bei uns, zu überlegen, was man alles in der Weinbereitung weglassen kann, um immer noch großen, authentischen Wein zu machen. So arbeiten wir bei der Gärung und Reifung unserer ERSTEN LAGEN Weine seit 2009 wieder zu 100% mit alten, neutralen großen Holzfässern. Prinzipiell wird bei uns sehr minimalistisch vinifiziert. Wahre Weine ohne Aromatisierung. Das heißt: kein aromatisiertes, getoastetes Holz, keine Aromaenzyme und Aromahefen, auch Botrytis wird zur Gänze im Weingarten händisch ausselektioniert, so dass nur reife, gesunde Beeren für trockene Weißweine in den Keller kommen. Die Zeit macht den Wein und wir sehen in uns mehr Weinbegleiter als Weinmacher. Je besser man die intensive Beziehung mit seinen Weingärten aufbaut, – zu jedem Zeitpunkt weiß, wann und was der Weingarten braucht – desto entspannter kann man im Keller arbeiten. Vertrauen in die Qualität unserer Weingärten. Tradition hat eben viel mit Herkunft zu tun, mit dem unverwechselbaren Geschmack der Heimat."
Direkt nach der Übernahme des Weinguts habt ihr auf biodynamischen Weinbau umgestellt. Von dir stammt auch das Bonmot „Bio heißt nicht nur Birkenstockschlappen und Strohhut“ – warum ist Bio für euch mehr als ein Trend?
"Biologische Landwirtschaft zu betreiben, das bedeutet für uns, einen Teil unserer Lebensphilosophie in unserer täglichen Arbeit auszuüben. Bio macht nicht unbedingt bessere Weine, aber ich hatte das Gefühl, es macht einen besseren, sensibleren Weinbauer aus dir. Es hat eben auch nichts mit der romantischen Vorstellung von Birkenstockschlappen und Strohhut im Weingarten zu tun, sondern es geht um perfektes Timing, perfekte Technik, eine gute Beobachtungsgabe und viel Erfahrungswissen. Auf der Suche nach dem Optimum und nicht dem Maximum haben wir im Zuge unserer Bio-Umstellung auch die Rebflächen verkleinert, um in die Tiefe zu wachsen und nicht in die Größe. Bio ist ein zukunftsorientierter Prozess und in ein paar Jahren möchte ich ausschließlich biologischen Wein produzieren."
Du betreibst das Weingut Jurtschitsch gemeinsam mit deiner Lebensgefährtin Stefanie Hasselbach. Dreht sich bei euch alles um Wein oder hat man als erfolgreiches Winzerpaar noch die Zeit anderen Interessen nachzugehen?
"In der Zeit des Generationswechsels haben wir schnell gemerkt, dass es so etwas wie Work-Life-Balance für leidenschaftliche Winzer eigentlich nicht gibt. Ein Weingut zu leiten ist so ziemlich das abwechslungsreichste was man sich vorstellen kann. Eine Wein-freie Zeit gibt es nicht, dafür aber viele schöne Dinge und Interessen, die mit Wein kombinierbar sind. Momentan bastle ich gerade einen Hühnerstall."
Während deiner Ausbildung zum Winzer hast du die Welt bereist. Wo hast du die besten Ideen gesammelt und welche waren das?
"Mir war lange Zeit nicht klar, ob ich überhaupt Weinbauer werden möchte. Es ist doch alles sehr traditionell und es kann auch ziemlich stressig werden am Weingut. Ich bin sehr früh von zu Hause weg und um die Welt gereist. Meine Liebe zum Weinbau habe ich als Praktikant in Neuseeland entdeckt. Weinbau kann auch lässig und cool sein und nicht immer nur traditionsbehaftet. Man braucht viel Bier, um guten Wein zu machen, habe ich dort gelernt (lacht). Danach ging es so richtig los. Ernte in Australien, Reisen durch Südamerika, gearbeitet hab ich nicht immer nur auf Weingütern, sondern genauso in der biologischen Landwirtschaft. Reisen ist immer Inspiration, fremde Kulturen, interessante Menschen und Wein kennenlernen. Nach der neuen Wein-Welt kam ich zurück nach good old Europe. Deutschland war für mich die Sternstunde der Mineralität und die Liebe zum Riesling. Das Weinbaustudium im Rheingau war eine gute Zeit – aber noch spannender waren die Besuche bei den Winzerkollegen. Danach kamen zwei Ernten in Frankreich, die ganz im Zeichen von Terroir und Tradition standen. Eine wichtige Erkenntnis war, dass es auf der ganzen Welt große Weine gibt, aber die eigentliche Frage ist, was ist ein wirklich authentischer Wein, der eine Geschichte seiner Herkunft erzählt. Vollgepackt mit vielen Ideen kam ich zurück nach Österreich und nun setzten wir gemeinsam viele dieser Ideen um. Aber nicht alles, was in Frankreich oder in Neuseeland funktioniert, ist auch gut für den Kamptaler Wein."
Ihr vinifiziert zu einem großen Teil den vor allem in Österreich heimischen Grünen Veltliner. Wie erklären wir unseren deutschen Kunden am besten was die Rebsorte besonders macht?
"Grüner Veltliner hat viele Gesichter. Wir lieben seine Frische, Fruchtigkeit, Würze und animierende Säurestruktur im klassischen DAC Bereich. GV ist ein hervorragender Speisebegleiter. Grüne Veltliner aus großen Lagen im Reservebereich sind bekannt für ihre Komplexität, Dichte, Struktur und Vielschichtigkeit – Weine mit großem Lagerungspotential."
Welchen Wein aus eurer Kollektion würdest du uns wärmstens ans Herz legen?
"2012 war ein absolutes Grüner Veltliner-Jahr. Ich kann aber nicht genau sagen, welcher mein Liebling wird. Jeder dieser Weine hat seinen eigenen Charakter. Beim ˈKäferbergˈ ist es die hohe Komplexität, die subtile Mineralität und Würze – ohne opulent zu wirken. Grüner Veltliner 'Lamm' ist wie jedes Jahr vollgepackt mit Frucht und Vielschichtigkeit. Es geht nicht darum, welcher besser ist, sondern wie ausdrucksstark das Terroir zum Vorschein kommt. 2012 gefällt mich das Wein-Pärchen Grüner Veltliner ˈSTEINˈ und Grüner Veltliner ˈLÖSSˈ außerordentlich gut. Schon hier kommt die Herkunft präzise aus dem Glas. Löss ist dabei der barockere, gelb-fruchtige Typ. Im Stein präsentiert sich dagegen das kühle Kamptaler Klima und dessen Gneisböden auf einprägsame Art und Weise."
Alwin, welcher Wein hat dich zuletzt begeistert?
"Wir beide lieben deutsche Rieslinge. Insbesondere ein großartiger Scharzhofberger des Weinguts Von Hövel hat uns kürzlich einen grandiosen Abend bereitet. Ganz großes Riesling-Kino!"