Gavi: Piemonteser Weißwein-Frische

Neben den zwei Rotwein-Legenden Barolo und Barbaresco kommt auch ein faszinierender Weißwein aus dem italienischen Piemont: Der mineralisch-lebendige Gavi – von Genießern auch Chablis Italiens genannt. Genau den schauen wir uns jetzt mal genauer an.
Wir befinden uns im italienischen Nordwesten. In einer Gemeinde, die dem bekanntesten Weißwein Italiens ihren Namen gegeben hat. Gavi! Vom kleinen Ort mit seiner antiken Festung aus, sind die luxuriösen Casinos von Monaco drei Stunden Fahrt mit dem Cabrio nach Westen entfernt. In die nördlich gelegene Modemetropole Mailand dauert es nur halb so lange. Bloß: Wer in Gavi ist, sucht eher Entspannung. Nicht umsonst hatte schon der Adel aus dem nahe gelegenen Genua seine prunkvollen Landsitze in diese dünn besiedelten Gegend verlegt. Zwischen Wäldern und antiken Gebäuden im Morgennebel finden geplagte Städter auch heute noch Ruhe.
Und natürlich Wein. Denn um die Gemeinde erstrecken sich die 1.500 Hektar der gleichnamigen DOCG Gavi (Denominazione di Origine Controllata e Garantita). Obwohl hier ganz im Südosten des Piemonts früher auch rote Rebsorten wie Dolcetto und Barbera angebaut wurden, ist die DOCG heute eine reine Weißwein-Appellation. Und obwohl es neben Stillweinen auch Schaumweine gibt, werden alle aus einer einzigen Rebsorte hergestellt, der autochthonen Cortese. Daher wird die Appellation manchmal auch Cortese di Gavi genannt. Schauen wir uns an, wie die DOCG überhaupt zur reinen Weißwein-Appellation wurde.
Ein "Rezept" für Chianti
Erst Baron Bettino Ricasoli, der zeitweise übrigens auch Premierminister von Italien war, änderte das, als er 1872 ein "Rezept" für Chianti kreierte, das Sangiovese mit 70 % als Hauptrebsorte vorsah. Hinzu kamen dann noch 20 % Canaiolo und 10 % Malvasia. Ja, genau. Eine weiße Rebsorte. Diese sollte den Wein nämlich noch trinkiger machen.
Der Erfolg des Chianti gab dem Baron Recht: Überall landete der Wein in den Gläsern von Genussmenschen. Der Absatz stieg - und immer mehr Winzer außerhalb des Chianti-Gebiets wollten auf den Erfolgszug aufspringen. Kurzerhand vinifizierten sie einfach ihren eigenen Chianti - und brachten ihn auch unter diesem Namen auf den Markt. Selbst die markanten strohumflochtenen Fiasco-Flaschen, die damals erstmals eingesetzt wurden, um den Wiedererkennungswert zu erhöhen, wurden nachgemacht. Dieses Vorgehen stieß den Winzern aus dem Original-Gebiet natürlich bitter auf. 1924 reichte es den ursprünglichen Chianti-Winzern dann. Sie schlossen sich zusammen und gründeten ein Konsortium, um mit rechtlichen Mitteln die Geschmacks-Plagiate zu bekämpfen.
Gavi: Aufstieg zur Qualitätsspitze
Im Zeitraffer geht die Geschichte so: Cortese wurde 1614 zum ersten Mal urkundlich im Piemont erwähnt, war aber nur eine von mehreren Rebsorten. In Gavi gab es neben ihr auch noch Dolcetto und Barbera. Als sich dann gut 200 Jahre später der Adel häufiger zur Erholung in Gavi aufhielt, bemerkte er ein kulinarisches Problem. Für seine aus der Hafenstadt Genua gewohnte Küche mit fangfrischen Meeresfrüchten gab es zu wenig Weißwein. Der Adel beklagte es und förderte den Anbau von Cortese in der Provinz. So wurden 1856 auf den Gütern einiger Markgrafen die ersten größeren Weinberge mit der weißen Sorte bepflanzt. Die Weine erfreuten sich vor allem im angrenzenden Ligurien großer Beliebtheit und führten zu größeren Anbauflächen.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dümpelte dann das Qualitätslevel der ertragreichen Sorte vor sich hin, Cortese wanderte zuhauf in Basiswein für - ja - Wermut. Bis dann in den 1970er-Jahren Vittorio Soldati auf seinem Weingut La Scolca das volle Potenzial aus der Traube herauskitzelte. Er begrenzte den Ertrag, etwa durch eine grüne Lese, bei der er nur die besten der noch unreifen Trauben am Rebstock ließ. So konzentrierte sich das Aroma und sein Gavi di Gavi wurde zum Kult-Wein und Vorbild für andere Weingüter. Für diesen international beachteten Qualitätssprung erhielt die Region 1974 den Status einer DOC (Denominazione di Origine Controllata) und als engagierte Winzer immer weiter an der Qualität schraubten, wurde sie 1998 zur DOCG aufgewertet.
Böden und Klima im Chianti Classico
Nun möchte man meinen, dass aufgrund dieser strengen Qualitätseinteilung selbige theoretisch auch deutlich schmeckbar ist. Also ein eher fruchtiger Annata, eine etwas vollmundigere Chianti Classico Riserva und eine Gran Selezione, die mit enormer Komplexität und Tiefe aufwarten kann. Dem ist praktisch aber nicht so. Denn die Übergänge zwischen den einzelnen Stufen sind oft fließend. Und das liegt meistens daran, dass die etwa 2.700 Winzer inzwischen meisterhaft mit ihrem Terroir umzugehen und die Unterschiede zum Chianti-Gebiet zu ihrem Vorteil zu nutzen wissen.

Gavi im Glas
Und diese Weißweine sind perfekte Essensbegleiter. Im Glas unaufdringlich von eher blasser Farbe mit leicht grünen Reflexen. Das Bouquet dann elegant, mit Aromen von Zitrusfrüchten und grünen Früchten, unterlegt von blumigen Noten und einem Hauch Bittermandel. Am Gaumen verleihen Weinsäure und Mineralität einen ordentlichen Frischekick. Ideal, um die mediterrane Küche aus Meeresfrüchten, weißem Fleisch, gegartem Gemüse und sommerlichen Salaten zu komplettieren. Auf dem Etikett erkennen Sie einen Gavi einfach: entweder, es steht DOCG Gavi darauf oder DOCG Gavi di Gavi. Bei letzterem handelt es sich um einen Wein, der von Weinbergen aus der Gemeinde selbst stammt.
Gavi ist eine hervorragende Wahl, wenn Sie Chardonnay mögen, der nicht im neuen Holzfass ausgebaut wurde. Schließlich sollen die für neue Holzfässer typischen Aromen wie Vanille nicht in den Wein wandern, da sie sonst die eleganten Aromen überdecken. Nicht umsonst wird der Piemonteser Weißwein auch als Chablis Italiens bezeichnet. Und so wie Chablis, das französische Aushängeschild eleganter Weißweine, kann Gavi auch als zunächst leiser Wein erscheinen, dessen Finesse Aufmerksamkeit oder ein gutes Essen braucht. Schauen wir uns an, welche Bedingungen Cortese in der Region vorfindet und wie die Weine ausgebaut werden.
Terroir im südöstlichen Piemont
Das Klima in der Appellation Gavi ist trotz der Nähe zum Ligurischen Meer eher kontinental. Die Temperaturunterschiede sind groß, sowohl zwischen Tag und Nacht als auch zwischen Sommer und Winter. Jedoch mildern die salzige Meeresluft und Winde aus dem nahen ligurischen Apenninen-Gebirge und die Hügellagen der Weinberge heiße Tage ab. Zusätzlich schirmen die Gebirge vor allzu beißender Kälte ab.

Durch diese kühlen Phasen und milde, sonnige September können die Trauben langsam ausreifen, und eine knackige Weinsäure mit blumigen Noten ausbilden. Abhängig von den zwei vorherrschenden Bodentypen zeigen die Weine mehr mineralische oder fruchtbetonte Nuancen. Der helle, leichtere Kalkboden "terra bianca" bringt straffe, mineralische Weißweine hervor. Der eisenhaltige, rötliche Lehmboden "terra rossa" lässt kompaktere Weine mit mehr Fruchtaroma entstehen.
Ausbau von Gavi-Weinen
Um ein Maximum an frischer Frucht zu erhalten, vergären Winzer meist kalt in Edelstahl und bauen ohne Sauerstoff aus. Allerdings gibt es Winzer, die dem schlanken Weißwein zu mehr Statur verhelfen. Statt wie bei Cortese üblich im Edelstahlfass zu fermentieren, vergären sie im Eichenfass. Zusätzlich rühren sie dabei den Hefesatz auf - eine Methode, die man aus dem Burgund kennt und dort bei Chardonnay für mehr Komplexität und Struktur sorgt. Ideal, um auch einem Wein wie Gavi mit schlankem Körper mehr Struktur zu verleihen.
Für diese Methode werden alte Eichenfässer genutzt, die keine typischen Holz-Aromen wie Vanille an den Most abgeben. Schließlich soll auch bei der Methode im Eichenfass der typische Fruchtcharakter von Cortese erhalten bleiben. Die meisten Gavi sind für den sofortigen Genuss bestimmt. Weine, die mit diesem Verfahren erzeugt werden, können jedoch einige Jahre lagern.
Ob Sie lieber einen Gavi auswählen zum sofortigen Genuss oder ihn noch etwas reifen lassen, ob Sie ihn lieber als Schaum- oder Stillwein trinken: Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen!